Die Stadt Bern auf dem Weg zum finanziellen Desaster

Der Gemeinderat hat heute seinen Vorschlag für das Budget 2022 und die neue städtische Finanzstrategie präsentiert. Der Stadtberner Freisinn ist fassungslos. Es werden ein Verlust von 50.6 Millionen und eine Neuverschuldung von 110 Millionen angestrebt. Damit wäre das städtische Eigenkapital Ende 2022 aufgebraucht. Mit diesem Budget nimmt der Gemeinderat in Kauf, dass die Stadt Bern auf Jahre hinaus ihre finanzpolitische Handlungsfähigkeit verliert.

Der Gemeinderat der Stadt Bern präsentierte heute seinen Vorschlag für das Budget 2022 und die neue städtische Finanzstrategie. Die negativen Aussichten werden mit Corona und der Unsicherheit in Sachen Bundesgesetz über die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) begründet; es werde deswegen an Steuereinnahmen fehlen. Tatsächlich werden aber mit CHF 514 Mio. um 2.5% höhere Steuereinnahmen, als 2019 resultierten, budgetiert. Und es werden dringend notwendige Unterhalts- und Sanierungsarbeiten verschleppt. Noch im Frühling 2019 setzte sich der Gemeinderat das Ziel, jährliche Überschüsse im zweistelligen Millionenbereich zu erzielen, um genügend Geld für die dringend benötigten Investitionen freischaufeln zu können. Mit den nun vorliegenden Zahlen ist das Eigenkapital, auf welches man die letzten Jahre jeweils voller Stolz verwies, bis Ende 2022 bereits aufgebraucht. Derweil steigt der Sanierungsbedarf der städtischen Liegenschaften Jahr für Jahr weiter im hohen zweistelligen Millionenbereich an.

Ein Defizit in der laufenden Rechnung kombiniert mit einem massiven Sanierungsrückstand und Investitionsbedarf bei einem Selbstfinanzierungsgrad von unter 30% ist fatal. Wenn die Stadt Bern jetzt nicht tiefgreifend reagiert und die städtischen Finanzen nachhaltig und ohne sich weiter Sand in die Augen zu streuen saniert, werden die kommenden Generationen kaum noch politischen Gestaltungsspielraum haben. Folglich muss die Stadt Bern bei ihren Konsumausgaben endlich Mass halten, damit die dringenden notwendigen Investitionen in Schulraum und Sportinfrastruktur getätigt und „wertzehrende“, unökologische Liegenschaften endlich saniert werden können.

Eine starke aber schlanke Stadtverwaltung

Der Stadtberner Freisinn fordert eine starke, aber schlanke Stadtverwaltung, welche sich auf die Kernaufgaben einer Stadt konzentriert und die Chancen der Digitalisierung nutzt. Doppelspurigkeiten zu nationalen und kantonalen Stellen gilt es zu eliminieren, Synergien innerhalb der Stadtverwaltung gilt es zu erkennen und zu nutzen. So begrüsst der Freisinn explizit die vom Gemeinderat in Aussicht gestellte Überprüfung des städtischen Leistungsangebots. Es muss aber angezweifelt werden, mit welcher Seriosität diese Überprüfung durchgeführt wurde. Es ist bspw. sehr erstaunlich, dass es die Stadt Bern auch weiterhin als ihre Kernaufgabe ansieht, eigenen Wein zu produzieren. Dass sie dies seit Jahren defizitär und somit auf Kosten der Steuerzahler macht, verdeutlicht, dass sich die Stadt Bern aus solchen Tätigkeitsfeldern zurückziehen muss. Vor diesem Hintergrund begrüsst der Stadtberner Freisinn explizit die angedachte Auslagerung des Alters- und Pflegeheims Kühlewil. Und der Stadtberner Freisinn verlangt, dass die Überprüfung des städtischen Leistungsangebots unter Beizug einer objektiven und entsprechend erfahrenen externen Beraterin erfolgt.

Aus Sicht des Stadtberner Freisinns ist es zudem höchste Zeit, dass im Rahmen von FIT II auch die Anstellungsbedingungen des Personals durchleuchtet werden. Mit einigen wenigen Ausnahmen hat die Stadt Bern keinerlei Probleme, genügend qualifiziertes und motiviertes Personal rekrutieren zu können. Entsprechend besteht kein Bedarf, die bereits jetzt vorzüglichen Anstellungsbedingungen – zum Beispiel gilt für das städtische Personal heute ein Rentenalter von 63 Jahren – immer weiter auszubauen. Der Personalaufwand betrug im Jahr 2015 CHF 290‘665.037.00. Im kommenden Jahr 2021 sind CHF 339‘590‘087.00 budgetiert. Ein solches Wachstum von 17% innerhalb von sieben Jahren steht in keinem Verhältnis zum Wachstum der Stadt Bern. Dennoch gibt der Gemeinderat vor, im Rahmen von FIT II einen „Stellenabbau“ zu vollziehen. Tatsächlich werden im Rahmen von FIT II aber keine Stellen abgebaut, sondern es werden lediglich nicht noch mehr Stellen geschaffen.

Geld muss verdient werden, bevor man es verteilen kann

Die Stadt Bern hat also kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Während im Jahr 2015 Einnahmen von 454.7 Millionen ausreichten, resultiert im laufenden Jahr 2021 trotz mit 512.6 Millionen deutlich höherer Einnahmen ein Defizit. Für 2022 werden Einnahmen von 514 Millionen budgetiert. Dass der Gemeinderat dennoch in Form der Feuerwehrersatzabgabe eine weitere Steuer einführen will, ist unverständlich und wird vom Stadtberner Freisinn entschieden bekämpft werden. Die Stadt Bern muss in ihrem Umgang mit der lokalen Wirtschaft und dem Gewerbe dringend umdenken und anerkennen, dass juristische Personen einen elementaren Teil der Steuereinnahmen liefern. Die Einnahmen der Stadt sollen also nicht durch immer neue und immer höhere Steuern und Gebühren erhöht werden, sondern durch eine attraktive Standortpolitik, welche bestehende Firmen in Bern hält, Start-Ups ein optimales Umfeld ermöglicht und neue Firmen in Bern ansiedelt. Die Stadt Bern muss auch weiterhin offen sein für Veranstaltungen jeglicher Art und sie muss ihr touristisches Potential weiter ausschöpfen. Auch in Bezug auf die Privatpersonen gilt es bei den kommenden Grossprojekten eine Wohnbaupolitik zu verfolgen, welche auch Wohnungen für Personen, welche sich überdurchschnittlich stark an den Kosten des Gemeinwesens beteiligen, ermöglicht. Konkret soll bspw. das Verbot von Stockwerkeigentum auf dem Gaswerkareal rückgängig gemacht werden.

In der heute veröffentlichen Finanzstrategie, wiederholt und bekräftig der Gemeinderat zwar sein Ziel einer nachhaltigen Finanzpolitik, wo Ausgaben und Einnahmen auf längere Sicht im Gleichgewichtet gehalten werden sollen. Die Finanzstrategie ist grundsätzlich begrüssenswert, nur ist es für den Bernern Freisinn unverständlich, wie der Gemeinderat gleichzeitig ein Budget präsentiert, dass all diesen selbstgesetzten finanzpolitischen Grundsätzen widerspricht.